In diesem Jahr liegt der Fokus der Armutswochen auf der Stärkung politischer Teilhabe armutserfahrener Menschen. „Frieden beginnt beim Zuhören“. Mit diesem Motto soll Armutsbetroffenen die Möglichkeit gegeben werden, politisch gehört zu werden und sich einzumischen. Ziel ist es, dass politisch Verantwortliche auf allen Ebenen von Betroffenen selbst erfahren, was diese für eine politische Teilhabe benötigen.
Rund ein Fünftel der deutschen Bevölkerung (17,3 Millionen Menschen in 2022) ist armutsgefährdet. In 25.453 Einrichtungen des Caritas-Netzwerkes wird täglich zugehört, beraten und unterstützt. Gerade im Hinblick auf den Ausgang der jüngsten Landtagswahlen ist es wichtig, benachteiligten Menschen politisch Gehör zu geben, damit sie sich als akzeptierte Mitglieder einer demokratischen Gesellschaft verstehen und diese mittragen, so die Pressemitteilung des DCV. Dafür bieten SKM, SkF und der DCV mit den Armutswochen eine aktive Plattform. Der Caritasverband für die Diözese Würzburg e. V. etwa veranstaltet in diesem Jahr anlässlich der Armutswochen am 17., 18. und 19. Oktober die Theater-Performance „Heimat? Straße!" zum Thema Obdachlosigkeit.
Bessere Bedingungen für politische Beteiligung gefordert
Am heutigen 17. Oktober, dem internationalen Tag für die Beseitigung der Armut, überreichten Menschen mit Armutserfahrungen bei einem Parlamentarischen Frühstück den Bundestagsabgeordneten des Ausschusses für Arbeit und Soziales ihr in der Zukunftswerkstatt entwickeltes Positionspapier mit Ergebnissen und Lösungsvorschlägen. Darin fordern sie unter anderem, dass armutserfahrene Menschen ein verbindliches Mitspracherecht in sozialpolitisch relevanten Gremien erhalten, wie zum Beispiel dem Beirat der Bundesagentur für Arbeit. Denn für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer steht fest: Die Erfahrungen armutsbetroffener Menschen spielen bei sozialpolitischen Entscheidungsprozessen kaum eine Rolle. Als Betroffene wollen sie mit ihrem wertvollen Erfahrungswissen im politischen Meinungsbildungsprozess involviert sein und ihn aktiv mitgestalten. Zudem fordern sie eine bessere Qualifizierung der Politikerinnen und Politiker in ihrem Wissen über die Lebensrealität benachteiligter Menschen.
„In den seltensten Fällen haben Abgeordnete eine Ahnung, wie Menschen in Armut leben müssen. Deswegen muss es Pflichtprogramm für jeden sozialpolitischen Sprecher einer Partei und deren Abgeordnete in sozialpolitischen Gremien sein, praktische Erfahrung in der Lebenswirklichkeit von Menschen in Armut zu machen. Begleitung bei der Wohnungssuche, Besuche bei der Tafel oder auch ein schlichtes Praktikum in der Sozialberatung könnten zu größerem Verständnis führen“, schlägt Michael Korte vor, selbst ehemals wohnungslos und heute Teilnehmer in der Beschäftigungsförderung. Er ist einer der armutserfahrenen Teilnehmer der Zukunftswerkstatt. Michael Korte ist überzeugt: „Wer zumindest im Ansatz erleben kann, was es bedeutet, von Armut betroffen zu sein, kann Politik näher an der Lebenswirklichkeit der Menschen gestalten.“
Verbandsübergreifender Einsatz für benachteiligte Menschen
Die politische Einbringung der Perspektiven armutsbetroffener Menschen unterstützt der Deutsche Caritasverband mit seinen Fachverbänden SkF und SKM. Eva Maria Welskop-Deffaa, Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes: „Menschen, die von Bürgergeld oder anderen Sozialleistungen leben, erfahren immer wieder Missachtung und einen vitalen Sozialneid nach unten. Ihre Lebenswirklichkeit, oft geprägt von wiederholten Schicksalsschlägen, wird nicht verstanden. Wer sich abgestempelt und nicht ernstgenommen fühlt, erlebt sich machtlos und verliert den Glauben an sich, aber auch an die Gesellschaft und – besonders – an die Politik. Es ist jetzt wichtiger denn je, aktiv zuzuhören, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken.“
Stephan Buttgereit; Generalsekretär SKM Bundesverband: „Wer sich aus Armut befreien will, braucht Chancen und Befähigung. Um zu erfahren, was Menschen mit Armutserfahrungen brauchen, müssen Politik und Wohlfahrt den armutserfahrenen Menschen zuhören. Erst wenn sie uns selbst erklären, was ihnen fehlt, können wir die Grundlagen schaffen, um ihnen politische Teilhabe zu ermöglichen. Grundvoraussetzungen für diesen Zweischritt sind Respekt und Anerkennung für die Leistung, die viele Menschen selbst unter benachteiligten Lebensumständen erbringen.“
Yvonne Fritz, Vorständin SkF Gesamtverein: „Frauen in Sorgeverantwortung haben zusätzliche Hürden, sich an politischen Prozessen zu beteiligen und für ihre Rechte einzustehen. Dabei sind gerade sie durch ihre eingeschränkten Chancen auf Erwerbsbeteiligung zusätzlich armutsgefährdet. Deshalb wünschten sich die alleinerziehenden Teilnehmerinnen der Zukunftswerkstatt flexible und verlässliche Betreuungsmöglichkeiten, auch um ihre Chance auf politische Beteiligung zu stärken."
Zukunftswerkstatt und Armutswochen
Das Format der Zukunftswerkstatt kam im Rahmen der Armutswochen 2024 erstmalig zum Einsatz und fand vom 19. bis 20. September in Würzburg statt. 25 Menschen mit Armutserfahrungen und 15 Sozialarbeitende nahmen an der Zukunftswerkstatt teil. In der Werkstatt haben die armutserfahrenen Teilnehmenden gemeinsam erarbeitet, wie politische Beteiligung von Armutserfahrenen möglich ist. Wie kann die politische Beteiligung armutserfahrener Menschen gestärkt werden? Was brauchen sie, um für ihren Anliegen Gehör zu finden?
Traditionell eröffnen der Deutsche Caritasverband, der SKM Bundesverband und der SkF Gesamtverein gemeinsam am Internationalen Tag für die Beseitigung der Armut (17. Oktober) die Caritas Armutswochen. Soziale Einrichtungen von Caritas, SkF und SKM machen in dieser Zeit mit Veranstaltungen und Aktionen deutschlandweit auf einen bestimmten Aspekt von Armut aufmerksam – in diesem Jahr vor allem auf die Möglichkeiten politischer Teilhabe für armutserfahrene Menschen. Die Armutswochen enden jedes Jahr mit dem vom Papst ausgerufenen Welttag der Armen, der 2024 am 17. November stattfindet. Die Aktion zur Beseitigung der Armut 2024 wird gefördert von der Glücksspirale.
Deutscher Caritasverband